Der Wald ist mehr als eine Holzfabrik! ...Hessen-Forst-GmbH...
7.2.2010
Wie alt dürfen unsere Bäume werden?
Um es vorweg zu sagen, die meisten Bäume dürfen nicht sehr alt werden, vor allem nicht im Süden der Republik. Da liegt Hessen am Schlußlicht der Statistik. Z.B. dürfen nur 1,7 % (!) aller hessischen Buchen einen größeren BHD Umfang als 80 cm erreichen bevor sie gefällt werden, also ca. 25 cm Durchmesser.
Der Holzmarkt hat sich erholt und die Nachfrage ist groß.
Die Hessen-Forst-GmbH vermarktet fleißig unseren Wald, um möglichst hohen Gewinn zu erzielen. Leider das Hauptziel dieses eigenständigen Wirtschaftsbetriebes.
Hessen und Saarland hatten sich nämlich mal von den reinen Landesforsten verabschiedet, die von öffentlich angestellten Forstbeschäftigten bewirtschaftet werden.
Seitdem ist unsere Hessen-Forstwirtschaft in erster Linie ökonomischen Zwängen und einer Gewinnorientierung unterworfen.
Nicht zum Vorteil für Natur-, Umwelt- und Gemeinwohlfunktionen, die der Wald auch hat.
Denn mit Gründung dieser “Forstfirma” Hessen-Forst GmbH ging auch ein ganz gravierender Personalabbau einher. Insgesamt wurde da ein Drittel Forstpersonal eingespart.
Und das geht wiederum logischerweise auf Kosten der Qualität der Forstleistungen. Z.B. wurden viele Reviere zusammengelegt, die nun so riesengroß sind, dass sie ein Revierleiter kaum noch überschauen kann.
Mangels Personal setzt man nun auch Harvester bei der “Holzernte” ein, die schneller, billiger und sogar nachts arbeiten können. Nur halt auf Kosten der Qualität! Denn naturschonend arbeiten sie nicht.
Hier z.B. mal ein informativer Videofilm des bayrischen Rundfunks über eine andere, viel umweltfreundlichere Holzwirtschaft: Sanfte Holzernte Zugpferde statt Harvester.
Aber leider scheint die GmbH-Devise zu sein: Schnell und billig! Egal wie...
Deshalb sprüht man auch schon die Revierbezirks-Nummern überall im Wald in Graffiti-Art auf Bäume, siehe hier. Geht schnell, sieht wahrlich grausig aus, aber auf Ästhetik kann doch so ein “effektiver” Turbo-Betrieb nicht auch noch Rücksicht nehmen, oder?
Und das, obwohl man im Geschäftsbericht der Hessen-Forst GmbH 2004 noch folgende Gemeinwohl- Leistung nachlesen kann: “...Sicherung der Erholungsfunktionen...Förderung der Waldästhetik...” Nun, vielleicht findet ja der Hessen-Forst die exzessiven Graffiti-Sprühereien besonders ästhetisch. Die meisten Erholungssuchenden wohl eher nicht.
Der Wald dient aber auch dem Gemeinwohl und hat wichtige Erholungs- und Umweltfunktionen. Und diesen wichtigen Funktionen kann ein nach Gewinnstreben ausgerichteter Betrieb nur sehr schwer gerecht werden.
Holzernten sind zwar nichts Neues in unseren Wäldern, aber noch nie wurde so viel Holz hier aus dem Wald “herausgeholt” wie seit ein paar Jahren.
Der Wald wird dadurch überall immer lichter, der Grasbewuchs nimmt zu, und der Maikäfer freut sich über die zusätzliche forstliche Brutunterstütz
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Komischerweise wird bei fast allen Holzaktionen in der Presse behauptet, dass nur kranke und schwache Bestände “weichen” müssen oder “ausgelichtet” werden muß. Schaut man sich aber mal die gefällten Bäume an, sehen sie meist gar nicht “krank” aus.
Nach dem gerade neulich erfolgten 4-5 ha großen Kahlschlag im FFH-Waldgebiet nahe Hüttenfeld hat nun unsere Forst-GmbH mit Harvestern im Stadtwald Viernheim zugeschlagen.
Hier der Südhessen-Morgen Bericht “Ein Drittel der Kiefern wird gefällt”, voll des Lobes über die effektive Forstwirtschaft...
Zitat SM: “Mit dem Einsatz von Harvestern hat das Forstamt bereits gute Erfahrungen gemacht, weil der Einsatz der mit viel Hightech ausgestatteten Baumfällmaschinen sehr umweltverträglich ist. Schon nach kurzer Zeit sind die Spuren der Arbeiten nicht mehr zu finden.”
Ja, solche Märchen...
...ich habe mir gestern dort daraufhin die angeblich so „umweltschonende“ Holzernte angeschaut.
Im Bericht stand auch, dass nur kranke und durch Mistelbefall beschädigte Bäume gefällt wurden. Mistelbefall wirkt sich lediglich auf die Holzwertigkeit und somit auf den Holzpreis aus, da es dann wegen der Primärsenkengänge minderwertiger wird. Ein Baum muß schon extrem stark von Misteln befallen sein, dass er deshalb eingeht. Selten! Aber von Misteln befallene Bäume wachsen halt nicht mehr so sehr in Höhe und Breite, was natürlich Ziel der Forstwirtschaft ist. Denn je dicker, gerader und höher der Baum, desto höher der Verkaufsgewinn.
Schöne Laubbäume z.B. mit vielen tief hängenden Ästen sind auch aus diesem Grund beim Forst unerwünscht. Denn jeder Ast schmälert die (Vermarktungs)Holzqualität. Deshalb werden auch schon immer gern Forstplantagen angelegt, mit dem Ziel Hochwald. In den Plantagen werden die Bäumchen im selben Alter alle dicht gesetzt, die natürlich dann wegen der vielen Lichtkonkurrenten in die Höhe schießen und keine unbeliebten Seitenäste bilden.
Das gefällte Holz nun nahe des Viernheimer Anglersees sah gar nicht „krank“ aus wie in dem Artikel behauptet, Fotos der Harvesteraktion sind in der Galerie zu sehen (folgt)
Aber dafür wurde fast jeder 2. Nachbarbaum in den vielen Rückegassen von den “High-Tech”- Maschinen verletzt!
Diese Verletzungen sind Angriffsflächen für Pilze und Insekten...
Noch schlimmer sind die von Harvestern verursachten Bodenverdichtungen, die die Nachbarbäume über Wurzelverwachsungen nachhaltig schädigen, vor allem in fast reinen Kiefernwäldern wie hier.
In dem verdichteten Boden gedeihen anaerobe Bakterien, welche die Bodengase verändern. Dadurch kommen dann auch noch unerwünschte, klimerelevante Methangase aus dem Boden. Umweltverträglich?
Zitat SM: “Mit dem Einsatz von Harvestern hat das Forstamt bereits gute Erfahrungen gemacht, weil der Einsatz der mit viel Hightech ausgestatteten Baumfällmaschinen sehr umweltverträglich ist. Schon nach kurzer Zeit sind die Spuren der Arbeiten nicht mehr zu finden.”
Diese durch Harvester verursachte, nachhaltigen Schädigungen der Nachbarbäume sieht man nicht nach kurzer Zeit sondern das dauert etliche Jahre! Auch wenn man die Spuren der Arbeit bald nicht mehr sieht. Wie alt sind denn die “guten Erfahrungen”, die die Hessen-Forst GmbH mit den Harvestern machte?
Last not least...
...verhindern die tonnenschweren Harvester auch sehr effektiv eine natürliche Verjüngung des Waldes. Ein natürlich verjüngter Wald ist für Natur- und Umweltfunktionen viel wertvoller.
Bei Harvestereinsatz haben nun mal manch junge Bäumchen das Pech, in einer der vielen Rückegassen zu stehen. Sie werden dann kurzerhand (umweltschonend) niedergewalzt oder verstümmelt.
Dieser junge Laubbaum stand auch leider im Weg des Harvesters als er in der Rückegasse “wirkte”.
Seit Einführung der klassischen Forstwirtschaft sind im Wald zahlreiche Tier- und Pflanzenarten stark gefährdet oder sterben aus. Und zwar daher, weil die Bewirtschaftung des Waldes schon immer ohne genaue Kenntnisse des Ökosystems Wald praktiziert wurde. Natürlich bemühen sich heute die “Bewirtschafter” auch, sich über diese Prozesse zu informieren.
Dennoch wäre es aber die bessere Vorsorge gegen Schäden des Ökosystems, einfach bestimmte Eingriffe zu unterlassen.
Zum Beispiel wie diesen Eingriff hier, der 4-5 ha große Kahlschlag im FFH-Wald nahe Hüttenfeld, wo nun 2 weitere Forstplantagen entstehen werden. Die eine davon wird sich halt nur anders nennen, nämlich “Forst-Versuchsfläche”.
Muß das ausgerechnet in einem wertvollen, ausgewiesenen Schutzgebiet sein?
Eine Verbesserung oder Erhalt des dortigen Zustandes wie per FFH-Richtlinie für den Artenschutz gefordert, ist das sicher nicht.
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I
In Deutschland sind eigentlich alle Waldbesitzer gesetzlich zu nachhaltiger Forstwirtschaft verpflichtet. Da sollte man vor allem i Staatsforsten mit gutem Beispiel vorangehen.
Nicht nur wirtschaftliche Aspekte sondern vor allem Schutz- und Erholungsfunktion des Waldes müssen bei der Bewirtschaftung berücksichtigt werden.
Leider geschieht das aber nicht ausreichend! Unsere Wälder werden nach wie vor als Wirtschaftswälder betrachtet und auch so verwaltet. Ein Umdenken in der Forstwirtschaft ist also unbedingt erforderlich.
Hoffentlich optimiert die Hessen-Forst GmbH ihre Waldnutzung nun diesbezüglich irgendwann.
Ein erster Schritt hierzu wäre auch eine FSC-Zertifizierung, die ein Mindestmaß an nachhaltiger und umweltverträglicher Forstwirtschaft überprüft.
Das hatte der Hessen-Forst sogar schon mal in Erwägung gezogen. Aber wohl nicht aus Umweltschutzgründen sondern als Vermarktungsstrategie, um noch höhere Holzpreise zu erzielen. Wegen einer evtl. FSC Zertifizierung wurde also letztes Jahr eine Umfrage bei den Holzkunden gemacht, ob diese denn dann auch gewillt wären, höhere Preise zu akzeptieren. Aber die Kunden wollten wohl dafür nicht mehr für zertifiziertes Holz bezahlen und so verschwand der erste gute Ansatz sofort in der Versenkung! Wie das halt leider so ist in einem rein gewinnorientierten Unternehmen. Qualitätsverbesserung nur dann wenn es sich rechnet...
Ein weiterer Schritt zur gesetzlich vorgeschriebenen Gemeinwohl-Leistung wäre auch, mal auf eine forstwirtschaftliche Nutzung zu verzichten! D.h. also nicht soviel Holz wie möglich herausholen und vermarkten! Aber auch dasist schwer durchführbar, wenn eine Forst GmbH den Spagat zwischen Umweltverträglichkeit und gleichzeitiger Gewinnoptimierung hinbekommen muß.
Folgende Punkte müßten für besseren Schutz des Ökosystems Wald aktiv umgesetzt werden:
Im Geschäftsbericht des Hessen-Forst 2004 steht folgendes bezüglich der forstlichen Schutzaufgabe:
“Die naturnahe Waldbewirtschaftung von Hessen-Forst nimt auf Tier- und Pflanzenarten Rücksicht. Aus diesem Grund werden z. B. Kahlschläge vermieden und Sonderbiotope geschützt. Flexible Nutzungszeiträume, Baumartenvielfalt und ein hoher Alt- und Totholzanteil steigern die Biotopeigenschaften...”
Ich lasse das mal als Schluß so stehen. Kann sich jeder seine Gedanken machen wie die forstwirtschaftliche Realität aussieht.
Das gemeinsame Ziel sollte sein: “Hessen vorn” im Wald- und Umweltschutz
Kontakt: admin(ät)natur-um-huettenfeld.de