25.11.2012
Waldwege, Wegränder und hiesige Hessen-Forst “Pflege”-Praxis
“Fressen und gefressen werden”- Wichtige Insektenvielfalt!
Die Insektenvielfalt ist faszinierend. Wenn man nun mit Kamera loszieht, um ein paar per Bild einzufangen, ist das immer sehr spannend. Bei jeder Art, die man danach bestimmt oder bestimmen läßt, lernt man etwas Interessantes über ihre Lebensweise hinzu. Man sollte sie nicht immer gleich als Schädlinge betrachten, die bekämpft werden müssen. Jede heimische Insektenart hat eine wichtige Funktion in einem Ökosystem inne. Und jede Art hat ihre natürlichen Feinde, die für ein Gleichgewicht in der Natur sorgen. Fressen und gefressen werden.
Gerade unter den Hautflüglern (Bienen und Wespen etc.) gibt es unzählige Arten, die dafür sorgen, dass andere Insektenarten nicht überhand nehmen, die evtl. in Überzahl Schaden in Wald oder Garten anrichten können. Auch in unserer Region um Hüttenfeld sind viele dieser nützlichen Tiere zu finden. Als Beispiel unter vielen hier 2 Arten, die ich im FFH Reliktwald Lampertheim fotografierte. z.B. Die Gemeine Rollwespe (Tiphia femorata). Diese parasitiert vorzugsweise auf Blatthornkäfern, z.B. auf Junikäferlarven (Naher Verwandter des Maikäfers). Sie kann die Käferlarven mit ihrem Geruchsinn in der Erde aufspüren, gräbt sich dann zu ihnen vor und legt auf ihnen ein Ei ab. Die Wespenlarve frisst dann später die Käferlarve. Für die erwachsenen Rollwespen müssen aber auch noch ein paar Wildblumen am Wegesrand zu finden sein. Vor allem den Nektar von Doldenblütern mögen sie.
Eine weitere, ganz seltene, und beeindruckend große Art ist die Riesenholzwespen- Schlupfwespe (Coleocentrus cf. excitator). Sie kann im Holz verborgene Käferlarven aufspüren. Dort bohrt sie dann ein Loch hindurch und legt ein Ei an der Käferlarve ab. Wer mal das Glück hatte, diese riesengroße (harmlose) Wespe in Natura sehen zu dürfen, wird von ihr beeindruckt gewesen sein. Leider wüteten dieses Jahr mitten im Sommer genau an deren Fundort im FFH Reliktwald Harvester, die dort alles platt machten was da so lebte und wuchs. Und dabei auch wieder alte benachbarte Buchen und andere Laubbäume schädigten. Und das in einem besonders zu schützenden FFH- Gebiet! Die viel zu intensive Forstwirtschaft richtet hier das ganze Jahr über Schaden in der Natur an, zerstört Brut- und Höhlenbäume und dezimiert kontinuierlich die bei uns bisher so große, nachgewiesene Artenvielfalt an seltener Flora und Fauna. Warum? Ist Biotoperhalt und Artenvielfalt nichts wert? Zählt nur noch die Holzvermarktung?
Hessische Waldbaufibel Grundsätze und Leitlinien zur naturnahen Wirtschaftsweise im hessischen Staatswald. Sie sind für den Staatswald verbindliche Vorgaben...: 1.2 Waldbau-Grundsätze 3. Naturgemäße Bewirtschaftung und Stetigkeit sind zu beachten (mit der Natur arbeiten und nicht gegen sie). 4. Die natürliche Vielfalt des Waldes ist zu erhalten, seine Dynamik zu beachten, die Stabilität zu fördern; Schäden an Wald und Boden sind zu vermeiden, und die genetische Vielfalt ist zu sichern. Waldwege Schonung von Habitaten der Schmetterlingsfauna durch Verschiebung der Pflege der Bankette auf die Zeit ab September.
Diese Grundsätze sind also verbindliche Vorgaben für alle Hessen-Forst Betriebe.
Theorie und Praxis...Forstpraxis von Hessen-Forst hier
“Pflegemaßnahmen” von Waldwegen und -rändern
Leider kann man bei uns in den letzten Jahren ständig die “gute forstliche Praxis” beobachten, die mit heimischen Wildblumen bestückten Waldwegeränder viel zu früh abzumähen (z.B. im Juni).
Beispiel frühes Abmähen von Waldwegrändern aus dem Wald östlich A67. Früher gab es entlang dieser Waldwege noch blühende Wildblumen im Frühjahr und Sommer. Und es gab hier auch viele Insektenarten z.B. verschiedene Wildbienenarten und Schmetterlinge, die hier ihre Nahrung fanden. Wenn man nur die Wege mähen würde (und nicht auch rechts und links 1-2m Randstreifen) wäre für die Natur schon viel gewonnen.
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Weitere Fotos “Abmähen” siehe hier
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Oder es werden alljährlich im Frühjahr völlig intakte Natur-Waldwege überbreit abgeschoben. Wozu? Damit Autos noch schneller durch den Wad rasen können? Oft wird dabei der für Insekten so wertvolle Wegrand mit Wildblumen gleich mit abgeschoben, d.h. aus 2-3 m breiten Wegen werden Wege in Harvesterbreite! Manche Wegränder wurden dieses Jahr 50 cm hoch geschoben! Durch das viel zu häufige Abschieben (warum überhaupt?) kommen immer mehr Baumwurzeln ans Tageslicht.
Beispiel “Überbreites Abschieben und Zerstören von Wegrändern” Mitte April, im Viernheimer Wald bei Hüttenfeld. Die Erstnahrung der frühen Wildbienen und Insekten wurde hier erstmal komplett vernichtet. Einige dieser Wegränder (Bankette) wurden übrigens dann noch ein paar Mal im Jahr “nachbearbeitet”, z.B. gezackert und gemäht. Nahrungsraub der Insekten
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Weitere Fotos “Überbreites Abschieben” siehe hier
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So sahen diese Waldwege vorher aus. Unten im Foto im Herbst aufgenommen
Warum hat man sie denn so drastisch bearbeitet und auch stark verbreitert?
Antwort hierzu eines Forstbeamten, den ich befragte: “Die Wege sind doch nun ideal für Spaziergänger mit Kinderwägen.”
Die Antwort kann man wirklich nicht nachvollziehen. Und vorher hatten diese Spaziergänger mit Kinderwägen da auch keine Probleme, siehe das Foto des Weges rechts. Der Grund wird eher forstwirtschaftlich begründet sein. Straßenbau im Wald für Harvester, Autos...
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Seit das Forstamt solche forstlichen Eingriffe (“Pflegearbeiten”) wie Mähen und Abschieben hier so durchführt, kann man auch vermehrtes Ausbreiten von Neophyten beobachten wie z.B. die Kanadische Goldrute. Die konnte sich hier dank forstlicher Hilfe ebenso wie Traubenkirsche und Kermesbeere massiv und ungestört ausbreiten. Paradoxerweise scheint das Forstamt in unserem wertvollen Schutzgebiet nicht gegen Neophyten vorzugehen. Eher im Gegenteil. Denn den Neophyten wird durch die forstlichen Eingriffe eine freie Fläche geschaffen. Dann läßt man die dort aufkommenden Goldruten etc. wuchern, sich ungestört aussäen und weiter ausbreiten.
Früher wuchsen an diesem sonnigen Wegabschnitt links im Bild mitten im Reliktwald viele Wildblumenarten und man konnte dort seltene Wildbienen und Schmetterlingsarten fotografieren. Jetzt breitet sich dort nur noch die Goldrute aus. Man läßt sie reichlich ungestört Aussamen...
Warum mäht man anstatt der heimischen Wildblumen nicht diese Goldruten vor Samenausbildung ab?
Heimische Wildblumen werden verdrängt. Und mit ihnen verlieren die vielen Insektenarten, die auf unsere heimischen Blumen angewiesen sind, ihre Lebensgrundlage.
Andere hier gängige und schädliche Forsteingriffe in das Waldökosystem z.B. - das Schlagen von Rückegassen (in viel zu kurzem Abstand), - zu starker Holzeinschlag/Entnahme von wertvollen Buchen und Eichen, - vermehrtes Anpflanzen von Kiefer-Monokulturen sowie anderen nicht biotopgerechten Bäumen förderten bisher die massive Ausbreitung von Traubenkirschen.
Rückegassen wurden hier im Abstand von 15-20 m überall im Wald angelegt, auch in FFH- Gebieten wie dem Reliktwald Lampertheim. Hier mal anschauliche Fotos wie sich der Neophyt “Traubenkirsche” in einer Kiefer-Monokultur dank dieser forstlichen Hilfe schnell ausbreitet.
Rückegassen in einer der Kiefer-Monokulturen des Forstamtes Lampertheim. Viernheimer Wald westlich A67, Die Fotos zeigen dieselben Rückegassen, in einem Jahr Zeitabstand: Und die Traubenkirsche hat sich dank Rückegassen dort prächtig ausgebreitet!
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Anlegen der Rückegassen Mai 2011
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Juli 2012
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Zum Thema Monokulturen sagt die für Hessen-Forst verbindliche Bewirtschaftungs-Waldfibel::
Hessische Waldbaufibel Grundsätze und Leitlinien zur naturnahen Wirtschaftsweise im hessischen Staatswald. Sie sind für den Staatswald verbindliche Vorgaben...: Zitat: 1.2 Waldbau-Grundsätze 9. Reinbestände sind zu begrenzen, bei Nadelbaumarten grundsätzlich zu vermeiden. Standards im naturgemäßen Waldbau Ziele: das Waldinnenklima beachten und wahren, Mischbestände sowie seltene Baumarten fördern, die angestrebten Anteile von Licht- und Nadelbaumarten sichern, den Nebenbestand schonen,
Aha,...den Nebenbestand schonen: Hier Fotos von Forstarbeiten im Juli (!) 2012 Ca. 2 Wochen, nachdem das Forstamt Lampertheim einen Vertrag mit der ZAKB über Holzlieferungen für deren neue Biogasanlage geschlossen hatte, fielen die Harvester in den FFH Reliktwald westlich der A67 ein, in eine dortige Kieferkultur. Dort wurden dann Rückegassen eingeschlagen und das Holz herausgeholt.
Die Schonung von Nebenbeständen konnte man leider nicht erkennen, denn etliche Buchen und andere Laubbäume wurden beschädigt, die den Harvestern wohl im Weg standen.
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Sicher kann man hier zukünftig noch einiges optimieren, wenn der hiesige Hessen-Forstbetrieb Willens ist, eine einigermaßen naturverträgliche bzw. naturnahe Forstwirtschaft durchzuführen.
Fortsetzung mit weiteren Fotos zum Thema “Waldumbau” von Laub- in Nadelwald etc. folgt.
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